„St. Hippolyt und Kassian - das sind die seltensten Kirchenpatrone in ganz Deutschland“, weiß Jürgen Betting, Laienvorsitzender des Kirchengemeinderats, der sich wie kaum ein Zweiter mit der Frittlinger Kirche und ihrer Geschichte auskennt.
Es gibt mehrere heilige Hippolyte, und oft werden sie verwechselt oder durcheinander gebracht, - einer von ihnen ist der Schutzpatron der Pferde, denn er wurde bei seinem Martyrium unter Kaiser Diokletian angeblich von Pferden gevierteilt oder zu Tode geschleift.
In Frittlingen ging einst die Post ab
Und weil es in Frittlingen früher mal eine Poststation gab, an der die Pferde gewechselt wurden, könnte er auch zum Patron der dortigen Kirche geworden sein. „Aber das ist nur eine Vermutung“, betont Betting. Ein anderer spätantiker Märtyrer, der heilige Kassian, hat am selben Tag - dem 13. August - seinen Festtag und ist daher Co-Patron.
Eigentlich wollte man Ende August - zusammen mit dem nachgeholten Patrozinium - die Vollendung der Renovierung und Neugestaltung des Chorraums der Kirche feiern. Doch dann brach sich Künstler Tobias Kammerer ein Bein - aber zum Glück nicht auf dem Bau, wie einst 2011, als bei der Ausmalung einer Kuppel einer kleinen Kirche in Oberfranken ein Gerüst einbrach und er acht Meter in die Tiefe stürzte. Sein jetziger kleiner Unfall ist weit weniger dramatisch. - Aber die Neuausmalung des Chorraums verzögert sich nun.
Sonne symbolisiert die Auferstehung
Kernstück von Kammerers Neugestaltung wird eine große, orangegelbe Sonne sein, die an der Rückwand des Chors, direkt hinter dem Kruzifix, die Auferstehung symbolisiert und zum Gottvater - einem alten Relikt aus früheren Fassungen der Kirchenausmalung - überleitet.
Dessen dreigeteilter Heiligenschein wiederum verweist auf die Heilige Dreifaltigkeit, die durch eine skulpturale Taube, die künftig vom Chorgewölbe hängen wird und den Heiligen Geist symbolisiert, vollendet wird. Sie ist eines der figürlichen Überbleibsel aus der in den 1960er-Jahren abgebauten Kanzel.
Im August 2016 waren übrigens einmal ein paar echte Tauben in die Kirche geflogen und hatten sich auf dem Kruzifix niedergelassen. Der damalige Mesner Willi Arand hat sie seinerzeit fotografiert.
Und auch jetzt flattern wieder zahlreiche weiße Tauben im Kirchenschiff - aber die sind aus Papier. Es ist ein Projekt der diesjährigen Firmlinge und sie fliegen an ihren Schnüren so lange im Kirchenraum, wie die Renovierung dauern wird.
Weiße Wände lassen den Raum noch heller erscheinen
„Die Frittlinger lieben ihre Kirche, weil sie so schön hell ist“, stellt Jürgen Betting fest. Die weißen Wände und Decken verstärken diesen Eindruck. Er selbst, der gelernte Maler, hätte sie sich aber ein wenig bunter gewünscht oder mindestens kontrastreicher.
Die Verantwortlichen der Diözese Rottenburg sahen das aber lange anders. Bis es dort einen Wechsel gab und auch der neue Verantwortliche meinte: „Die Kirche ist schön - aber es fehlt das Salz in der Suppe.“
Es regnet in der Sakristei
Das soll jetzt im Zuge der Renovierung des Chorraums durch die künstlerische Gestaltung von Tobias Kammerer dazu kommen. Zunächst musste vor zwei Jahren das Dach von Sakristei und Chorraum dringend renoviert werden, nachdem es dort schon reingeregnet hatte.
Dabei wurde festgestellt, dass sich auch im Gewölbe selbst Risse und Hohlräume gebildet hatten. Während der Arbeiten platzten dann ganze Putzteile bis auf die Mauer ab und es war klar, dass auch das Chorgewölbe saniert werden muss.
Schon mehrmals hat die Kirche im Laufe ihrer Geschichte ihr Gesicht verändert und wurde dabei jeweils dem wechselnden Zeitgeschmack angepasst: Als 1876 ein komplett neues Kirchenschiff gebaut wurde (das alte war für die Zahl der Frittlinger Gläubigen zu klein geworden), da wurden die meisten der alten gotischen und barocken Figuren entfernt und versteigert,- weil, so der damalige Pfarrer, angeblich „künstlerisch wertlos“.
Figuren zurückgekauft
Heute sieht man das ganz anders und hat sich bemüht, die alten Figuren, sofern noch auffindbar, wieder aus Privatbesitz zurückzukaufen.
Denn weil Frittlingen einst die größte Gemeinde im Besitz des Klosters Rottenmünster war, erhielt die Kirche von dort immer wieder Kunstwerke, wie sie sonst in Dorfkirchen nicht zu finden sind,- so zum Beispiel die spätgotische „Beweinung Christi“ oder die um 1480 entstandenen Skulpturen der „drei gekrönten Nothelferinnen“: „Barbara mit dem Turm, Margareta mit dem Wurm, Katharina mit dem Rädle, - das sind die drei heiligen Mädle.“
Bei jeder neuen Renovierung - so etwa in den 1960er-Jahren, als Seitenaltäre und Kanzel abgebaut wurden (diesmal bewahrte man die Figuren aber zum Glück auf, statt sie zu verkaufen), oder im Jahr 2000 gab es neue Diskussionen um das Maß der figürlichen und farblichen Gestaltung: Wie viel weiße Schlichtheit, wie viele barocke Figürlichkeit verträgt die Kirche?
Kleine Kunstgeschichte im Kirchenraum
Heute sind Kunstwerke aus verschiedenen Epochen von der Spätgotik über Barock und Neugotik bis - demnächst, wenn Tobias Kammerer sein Werk vollenden kann - zur Moderne an verschiedenen Stellen im Kirchenraum verteilt.
Die Renovierung wird übrigens weiter gehen, denn auch das Dach des Hauptschiffes muss saniert werden. Ziel ist es, die Kosten für die Sanierungsarbeiten - Chorraum und Dach - auf 400.000 Euro zu begrenzen. Dafür musste man auf einige zunächst geplante Maßnahmen verzichten.
Auch wenn die Diözese einen Teil übernimmt, wird die Gemeinde den Großteil der Kosten selber stemmen müssen. „Aber“, so Betting, „aus Rücklagen können wir das bezahlen“.
